EuGH hebt Einstufung von Titandioxid auf

Der Europäische Gerichtshof hat den Streit um die Einstufung von Titandioxid entschieden.

In den Rechtsmittelverfahren zur chemikalienrechtlichen Einstufung von Titandioxid hat der Europäische Gerichtshof am 1. August 2025 sein Urteil verkündet: Die Einstufung von Titandioxid als beim Einatmen karzinogen wurde als rechtswidrig bestätigt; die gegen das Urteil des Gerichts der Europäischen Union eingelegten Rechtsmittel wurden zurückgewiesen. Damit ist das Urteil des EuG, mit dem die Einstufung von Titandioxid für nichtig erklärt wurde, nun rechtskräftig.

Das bedeutet, dass die Einstufung von pulverförmigem Titandioxid als „vermutlich krebserzeugend beim Einatmen“ ab sofort als von Anfang an nichtig gilt. Die Kommission wird die Anhänge zur CLP-Verordnung dementsprechend anpassen müssen.

Auch die Kennzeichnung mit den Warnhinweisen EUH 211 und EUH 212 kann ab sofort wegfallen.

Zur Erinnerung: Die EU-Kommission hat Titandioxid in Pulverform im Jahr 2020 als „vermutlich krebserzeugend beim Einatmen“ eingestuft. Der Stoff wurde daraufhin in die Anhänge zur CLP-Verordnung (EG) Nr. 1271/2008 aufgenommen, welche die EU-weite Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien regelt. Diese Einstufung betrifft ausschließlich Partikel, die beim Einatmen in die Lunge gelangen können. Mehrere Hersteller und Verwender von Titandioxid hatten dagegen vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) geklagt.

Im November 2022 hatte das EuG entschieden, dass die harmonisierte Einstufung des Weißpigments Titandioxid als „vermutlich karzinogen beim Einatmen“ und die damit verbundene Kennzeichnungspflicht für den Stoff sowie pulverförmige, feste und flüssige Gemische rechtswidrig ist. Dagegen hatten unter anderem die EU-Kommission und Frankreich Rechtsmittel eingelegt, sodass der Fall nun durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) endgültig entschieden wurde.

Die Einstufung basierte fast ausschließlich auf einer über 30 Jahre alten Inhalationsstudie an Ratten (der sogenannten „Heinrich-Studie“ von 1995). In dieser Studie traten Lungentumore erst bei sehr hohen Partikelkonzentrationen auf – also bei Mengen, die die natürliche Selbstreinigung der Lunge der Tiere überforderten. Solche Effekte gelten jedoch als Folge einer allgemeinen Überlastung des Atemsystems und nicht als direkte Wirkung des Stoffs selbst. Nach der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 werden solche indirekten Wirkungen nicht als Nachweis für eine „intrinsische“ krebserzeugende Eigenschaft angesehen. Trotzdem empfahl der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) eine Einstufung in die Kategorie 2 – ohne systematisch zu prüfen, ob vergleichbare Effekte auch unter realistischen Arbeitsbedingungen auftreten können oder wie unterschiedliche Annahmen zur Partikeldichte und -größe das Risiko beeinflussen würden.

Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 1. August 2025 im Wesentlichen die Einschätzung des Gerichts der Europäischen Union (EuG) bestätigt und die erhobenen Rechtsmittel zurückgewiesen. Demnach habe das EuG keinen Rechtsfehler begangen, als es zu dem Schluss kam, dass der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) nicht alle relevanten Informationen berücksichtigt habe, die für die Einstufung von Titandioxid entscheidend sind. Das Urteil stellt klar, dass die Einstufung von Stoffen auf einer sorgfältigen Prüfung aller wissenschaftlichen Aspekte beruhen muss und dass der Ermessensspielraum der europäischen Behörden nicht unbegrenzt ist.

Auf die Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff E171 hat das Urteil keine Auswirkung.