(Frankfurt/Juli 2019) Nachdem das Europäische Parlament und der Rat neuen Verfahrensregeln für die Einstufung von Gefahrstoffen im Rahmen der CLP-Verordnung zugestimmt haben, kann die Kommission solche Einstufungen in Zukunft alleine und ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten vornehmen. Industrievertreter fordern zunächst eine Folgenabschätzung.
Die neuen Regeln im Verfahren „delegierter Rechtsakt“ sehen keine entscheidende Rolle der Mitgliedstaaten und damit keine offizielle Abstimmung des REACH-Regelungsausschusses mehr vor. Nationale Sachverständige und Vertreter des EU-Parlaments sollen zwar vor der Annahme von delegierten Rechtsakten konsultiert werden, zustimmen müssen sie jedoch nicht. Der Rat hat weiterhin die Möglichkeit, mit qualifizierter Mehrheit ein Veto gegen einen delegierten Rechtsakt einzubringen und das Inkrafttreten zu verhindern. Anders als bisher muss der Rat sein Veto nicht auf besondere Begründungen stützen, was ihm eine größere Flexibilität gibt. Auch das Parlament kann mit absoluter Mehrheit das Inkrafttreten verhindern. Sowohl Rat als auch Parlament können der Kommission die Befugnis zum Erlass von delegierten Rechtakten entziehen. Die Übertragung der Rechte an die Kommission ist zunächst für eine Periode auf fünf Jahre begrenzt.
Angekündigt wurde von Seiten der Kommission, dass der CARACAL-Ausschuss zukünftig die einzubeziehende Sachverständigengruppe sein soll. Bei der nächsten Sitzung dieser Expertengruppe am 1./2. Juli wird die Kommission ihre Vorstellungen vom zukünftigen Verfahren darlegen. Dabei wird auch diskutiert, inwieweit die Regeln aus der „Interinstitutionellen Vereinbarung“ von 2016 für eine bessere Qualität der Rechtsetzung auf das neue Verfahren Einfluss finden. In dieser Vereinbarung hatte sich die Kommission gegenüber Parlament und Rat u.a. dazu verpflichtet, vor Erlass eines delegierten Rechtsakts mit „signifikanten“ wirtschaftlichen, sozialen oder ökologischen Auswirkungen eine Folgenabschätzung durchzuführen. Spätestens seit der Teilnahme von 489 Stakeholdern an der zurückliegenden öffentlichen Konsultation scheint dieser Fall bei Titandioxid gegeben. Die Farbenindustrie setzt sich schon seit langem dafür ein, dass vor einer Einstufung von Titandioxid als Gefahrstoff zunächst die wirtschaftlichen und sozialen Folgen geklärt werden.
Dr. Martin Engelmann, „Wir sind Farbe-das Magazin“ Juli 2019