Titandioxid­haltige Produkte richtig entsorgen

Die Einstufung titandioxidhaltiger Produkte als „kann vermutlich Krebs erzeugen bei Einatmen“ wirft abfallrechtlich Fragen auf. Wie gehe ich mit ausgedienten Produkten um? Sind die jetzt etwa gefährlich? Noch drastischer: Müssen Verbraucher deshalb mit höheren Müllgebühren rechnen? Abfallexperte Gregor Franßen hat den Durchblick.

Darf ich mein ausgedientes mit Titanweiß gestrichenes Regal weiterhin zum Sperrmüll geben?

Ja, das dürfen Sie. Diesbezüglich ändert sich durch die Einstufung für Verbraucher so gut wie nichts. Auch leere Joghurtbecher oder lackierte Bleche dürfen Sie wie bisher entsorgen.

„Beim Joghurtbecher sind die Farbmittel in die Feststoffmatrix fest eingebunden.“

Ist das angesichts der nun vorgeschriebenen Kennzeichnung nicht grob fahrlässig?

Die Kennzeichnungspflicht bezieht sich nur auf die Verpackungen von flüssigen und festen Gemischen. Und die Einstufung als „karzinogen bei Einatmen“ bezieht sich ja nur auf Stoffe, die Sie einatmen können, also auf titandioxidhaltige Pulver – und das auch nur, wenn der Anteil von titandioxidhaltigen Partikeln mit einem aerodynamischen Durchmesser von höchstens zehn Mikrometern mindestens ein Prozent ausmacht. Beim Joghurtbecher zum Beispiel sind die Farbmittel ja in die Feststoffmatrix fest eingebunden. Diese Erzeugnisse sind nicht gefährlich. Es gibt hier keine Stäube mit lungengängigen Staubpartikeln – und natürlich auch keine Sprühnebel oder Aerosole mit lungengängigen Tröpfchen. Folglich bleibt bei deren Entsorgung alles beim Alten.

Und was macht jemand, der nach der letzten Renovierung noch einen halben Eimer Titanweiß übrig hat und diesen entsorgen möchte?

Der leere Farbeimer gehört je nach Entsorgungssystem in aller Regel in die gelbe Tonne oder in den gelben Sack. Flüssige Farbe und Farbreste hingegen sind (entsprechend dem gekauften Produkt) als gefährlicher Abfall einzustufen und müssen über die gesonderte Schadstofferfassung entsorgt werden. Auch hier kommt es auf das jeweilige örtliche Entsorgungssystem an. In der Regel sind solche Abfälle beim nächsten Wertstoffhof oder an einem der Schadstoffmobile abzugeben. Wichtig: Die Einstufung als gefährlicher Abfall erfolgt nicht wegen des Titandioxids, sondern aufgrund der in den Farben enthaltenen Lösungsmittel oder sonstigen Zusatzstoffe. Für Otto Normalverbraucher ändert sich also nichts. Der entsorgt seinen Abfall wie bisher auch.

Aber ist Titandioxid von der EU nicht als gefährlich eingestuft worden?

Hier müssen wir unterscheiden: Die CLP-Verordnung, die EU-weit Vorgaben zur Kennzeichnungspflicht macht, sagt, dass von Titandioxidpuder zwar eine gewisse Gefährdung ausgeht. Das macht Titandioxid aber nicht gleich zu einem besonders besorgniserregenden Stoff, also zu einem SVHC (Substance of Very High Concern) gemäß EU-Recht. Ist ein solcher Stoff in einem Produkt in einer bestimmten Konzentration enthalten, dann ist das ausrangierte Produkt – und zwar unabhängig davon, in welcher Form der Stoff vorliegt – gefährlicher Abfall, der gesondert zu entsorgen ist.

„Titandioxidhaltige Abfälle sind – genauso wie die Produkte – nicht automatisch gefährlich. Das hängt von der Art des Abfalls ab.“

Ein gutes Beispiel ist HBCD (Hexabromcyclododecan), das als Flammschutzmittel in Wärmedämmstoffen oder auch Polstermöbeln eingesetzt wurde. Da HBCD als SVHC eingestuft und zulassungspflichtig, also grundsätzlich verboten wurde, waren alle HBCD-haltigen Gegenstände ab Erreichen der festgelegten Konzentrationsgrenze fortan gefährlicher Abfall. Bei Titandioxid ist das anders. Titandioxidhaltige Abfälle sind – genauso wie die Produkte – nicht automatisch gefährlich. Das hängt von der Art des Abfalls ab. Keinesfalls steht zu befürchten, dass alle Abfälle als gefährlich einzustufen sind, nur weil sie in irgendeiner Art und Weise ein Prozent Titandioxid oder mehr enthalten. Es kommt sehr auf den Einzelfall an.

Würden Sie das bitte näher erläutern.

Maßgebend ist hier die Abfallverzeichnis-Verordnung. Sie ordnet jedem Abfall eine sechsstellige Schlüsselnummer zu und legt fest, bei Vorliegen welcher Eigenschaften der Abfall gefährlich ist. Die gefährlichen Eigenschaften eines Stoffes können in der Regel der CLP-Verordnung entnommen werden. Und dort steht für Titandioxid, dass (nur) Gemische in Pulverform mit einem Gehalt von mindestens einem Prozent Titandioxid in Partikelform oder eingebunden in Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von höchstens zehn Mikrometern als „karzinogen bei Einatmen“ einzustufen sind.

Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen: Ein Joghurtbecher ist ganz normaler Verpackungsabfall, der in die gelbe Tonne oder in den gelben Sack gehört, auch wenn der weiße Kunststoff, aus dem der Joghurtbecher besteht, Titandioxid enthalten sollte. Der Becher ist entweder der Abfallart 15 01 02 „Verpackungen aus Kunststoff“ oder 15 01 06 „gemischte Verpackungen“ zuzuordnen. Beide Abfallarten sind nicht gefährlich. Hier kommt es also auf den Titandioxidgehalt im Abfall oder Abfallgemisch nicht an. Die gefährliche Abfallart 15 01 10* „Verpackungen, die Rückstände gefährlicher Stoffe enthalten oder durch gefährliche Stoffe verunreinigt sind“ kommt nicht in Betracht, weil das Titandioxid im Joghurtbecher weder ein Rückstand noch eine Verunreinigung ist; es wurde dem Joghurtbecher ja gezielt als Bestandteil des Verpackungsmaterials beigefügt.

„Auch diese Abfallart ist nicht gefährlich – es kommt also auch hier nicht auf den Titandioxidgehalt an.“

Entsprechendes gilt auch für einen Fensterrahmen aus titandioxidhaltigem Kunststoff, der bei einer Renovierungs- oder Sanierungsmaßnahme ausgebaut wird: Auch dieser Fensterrahmen ist als ganz gewöhnlicher Fensterrahmen zu entsorgen. Denn der Kunststoff-Fensterrahmen ist der Abfallart 17 02 03 „Bau- und Abbruchabfälle – Kunststoff“ zuzuordnen. Und auch diese Abfallart ist nicht gefährlich – es kommt also auch hier nicht auf den Titandioxidgehalt an. Die gefährliche Abfallart 17 02 04* „Glas, Kunststoff und Holz, die gefährliche Stoffe enthalten oder durch gefährliche Stoffe verunreinigt sind“ kommt nicht in Betracht: Zum einen ist das Titandioxid wie schon im Joghurtbecher auch im Kunststoff-Fensterrahmen keine Verunreinigung. Zum anderen ist das im Kunststoff-Fensterrahmen enthaltene Titandioxid nicht gefährlich, weil es nicht in Pulverform vorliegt, sondern fest in die Kunststoffmatrix eingebunden ist.

Wann wäre der Kunststoff-Fensterrahmen denn gefährlicher Abfall?

Wenn bei einer Renovierungs- oder Sanierungsmaßnahme ein Fensterrahmen abgeschliffen wird, der einen titandioxidhaltigen Anstrich hat oder aus titandioxidhaltigem Kunststoff besteht. Hier können zum einen Stäube anfallen, die eingeatmet werden können und lungengängige titandioxidhaltige Partikel enthalten. Zum anderen sind solche Stäube oder auch andere (Bau-)Abfälle, in denen solche Stäube enthalten sind, als sogenannte „sonstige Bau- und Abbruchabfälle“ entweder der als gefährlich eingestuften Abfallart 17 09 03* oder der als nicht gefährlich eingestuften Abfallart 17 09 04 zuzuordnen. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Spiegeleintrag, bei dem es auf den Einzelfall ankommt.

(Bau-)Abfälle mit titandioxidhaltigen Stäuben sind als gefährlicher Abfall zu entsorgen – aber nur sofern anzunehmen ist, dass der Abfall Stäube mit Titandioxid- oder titandioxidhaltigen Partikeln mit einem aerodynamischen Durchmesser von weniger als zehn Mikrometern in einer Konzentration von mehr als einem Prozent enthält. Nur dann handelt es sich umgangssprachlich um „Sondermüll“, der von einem Privathaushalt auf einem Wertstoffhof oder über ein Schadstoffmobil oder von Gewerbetreibenden als gefährlicher Abfall entsorgt werden muss.    

Und das könnte dann teuer werden.

Diese Entsorgung ist für den Privathaushalt gebührenpflichtig, weil für solche Abfälle eigene Bestimmungen gelten. Gewerbliche Abfallentsorgungsunternehmen müssen besondere Auflagen erfüllen, wenn sie als gefährlich eingestufte Abfälle im Sinne der Kreislaufwirtschaft aufarbeiten wollen. Sie müssen dann erwägen, ob ein Recycling wirtschaftlich sinnvoll ist.

Erwarten uns also demnächst höhere Müllgebühren?

Auf keinen Fall. Jedenfalls nicht aufgrund der Titandioxideinstufung. Wie bereits gesagt ändert sich für den Verbraucher ja auch nichts. Lediglich für spezielle gewerbliche Bereiche. Etwa bei Handwerksbetrieben, die viel mit Schleifarbeiten zu tun haben und bei denen titandioxidhaltige Stäube anfallen, oder bei Farbmittel- und Titandioxidherstellern. Die müssten titandioxidstaubhaltige Abfälle gesondert entsorgen. 

Wo können sich betroffene Betriebe informieren, wenn sie bezüglich der Abfalleinstufung unsicher sind?

Entweder beim örtlich zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder beim privaten Abfallentsorgungs­­­­­unternehmen, über das auch bisher die Abfälle entsorgt werden.


Weiterführende Informationen stellt Gregor Franßen auch in diesem Informationsblatt zur Bewirtschaftung titandioxidhaltiger Abfälle zur Verfügung.

Gregor Franßen

Rechtsanwalt und Experte für Abfall- und Umweltrecht.